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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 02.04.2017


Tiger Girl - mit Ella Rumpf und Maria Dragus. Regie Jakob Lass. Kinostart 6. April 2017
Helga Egetenmeier

Sie pfeifen auf weibliche Rollenerwartungen und ziehen randalierend durch Berlin. Gewalt, stilisiert wie in einem Martial-Art-Film, nutzen die Punkerin und die Prollfrau, um ihre Freiheit zu...AVIVA verlost 3x2 Freikarten




...verteidigen. Nach "Love Steak" ist dies der zweite FOGMA-Film, der mit seinem dokumentarischen Konzept eine Lebendigkeit liefert, die trotz des flotten Rhythmus auch nachdenkliche Momente bereithält.

"Tiger Girl" eröffnete als Weltpremiere auf der diesjährigen Berlinale das Panorama-Special. Vom Publikum begeistert bis irritiert aufgenommen, bietet der Film erfrischend normale Frauenfiguren, die weder durch ein tiefes Dekolletee, noch durch eine schmale Taille oder Stöckelschuhe gefallen wollen.

Doch warum diese Figuren? Dazu meinen Jakob Lass und Ines Schiller vom Autor*innenteam, dass sie Lust auf eine weibliche Superheldin hatten, weil es einfach zu wenige davon gibt und falls doch, diese im, wie sie in der Pressemitteilung schreiben "Fickgewand" unterwegs ist. Und weil "Love Steak" durch den Bechdel-Test gefallen wäre - eine lobenswerte Selbsterkenntnis des FOGMA-Teams.

Frauenpower in Berlin

Als sie durch die Polizeiprüfung fliegt, beginnt Maggie eine Ausbildung bei einem privaten Sicherheitsdienst. Nach FOGMA-Art findet dies für Schauspielerin Maria Dragus gemeinsam mit echten Security-Azubis in realen Unterrichtsstunden statt. Wie vorher bei der Polizei, nerven auch hier die Alltagssexismen der männlichen Kollegen.

Dann lernt die unsichere junge Frau die toughe Tiger kennen, mit schnoddriger Sprache überzeugend gespielt von Ella Rumpf. Wie zufällig läuft sie ihr immer wieder über den Weg und Maggie ist genervt. Als sie jedoch spät abends auf einer leeren U-Bahn-Station von drei Männern angegriffen wird, steht ihr Tiger bei. Aber erst als Maggie ihre Angst überwindet und einen Baseballschläger in die Hand nimmt, können sie die Angreifer besiegen. "Vanilla the Killer" - so ihr neuer Spitzname - zieht nun zusammen mit Tiger durch die Straßen Berlins. Für die beiden ungleichen Frauen beginnt damit eine Freundschaft, die im Laufe des Films wieder in Frage gestellt wird.

FOGMA und Martial Art

FOGMA bezeichnet ein Regelwerk, das von dem Dreierteam Jakob Lass, Ines Schiller und Golo Schultz bereits für ihren ersten gemeinsamen Film "Love Steaks" aufgestellt wurde. Durch ein möglichst dokumentarisches Umfeld, wie reale Drehorte und natürliches Licht, soll die Wirklichkeit Teil des Spielfilms werden. Das skelettartige Drehbuch, das keine niedergeschriebenen Dialoge enthält, sondern Improvisation durch die Schauspieler*innen verlangt, ergänzten sie speziell für "Tiger Girl" durch streng choreographierte Martial-Arts-Szenen. Dazu kommt die passende Filmmusik, die bereits bei der Ideenfindung mitgedacht wurde und sich zu einem nach vorne treibenden Soundtrack mit HipHop-Elementen entwickelte.

Gewalt gegen Frauen - Gewalt durch Frauen

Gewalt gegen Frauen ist im dokumentarisch angelegten Spielfilm ein übliches Stilmittel, im Gegensatz zu Gewalt durch Frauen. Doch seit den Erfolgen von "Thelma und Louise" bis zu "Death Proof", bei denen der männliche Aggressor weibliche Gegenwehr auslöst, akzeptiert die Filmindustrie auch andere Role-Models - ein entscheidender Punkt für die Finanzierung eines Films. So hatte die Produktion von "Tiger Girl" ein moderates Budget von einer Million Euro zur Verfügung.

Perfekt verkörpern Ella Rumpf und Maria Dragus diese wehrhaften Frauentypen, die in prekären Verhältnissen leben und irgendwie durchs Leben kommen wollen. Doch ihre langfristige Perspektive erscheint gleich Null. Geglückt verbindet die Geschichte hier die ökonomischen mit den patriarchalen Machtverhältnissen und zeigt sie als Gewaltausbrüche nach außen. Das ergibt einen wertvollen Kontrast zu den noch weit verbreiteten aufopfernden und selbstzerstörerischen weiblichen Filmfiguren.

AVIVA-Tipp: Ein Berlin-Film durch und durch, mit Schnauze, Kraft und Humor. Und mit unangepassten Frauen, die für ihr Recht auf ein respektiertes Leben auch mal die Fäuste hoch nehmen und damit die Grenzen des moralisch Üblichen sprengen.

Zum Fogma-Team: Ihren ersten, vielfach ausgezeichneter Film "Love Steaks" produzierten sie 2013 und gewannen damit u.a. alle Preise der Sektion Neues Deutsches Kino beim Filmfest München 2013.
Regisseur/Autor: Jakob Lass, geboren 1981 in München, zunächst Schauspieler, wurde von deutschen Filmhochschulen mehrfach abgelehnt und gewann mit der Kurz-Mockumentary "Bademeister Paul" erste Preise, ab 2009 Regiestudium an der Filmuniversität in Babelsberg.
Autorin/Produzentin: Ines Schiller, geboren 1986, studierte Philosophie und Neurowissenschaften in Magdeburg und Zürich und begann 2010 das Studium der Filmproduktion an der Filmuniversität Babelsberg.
Komponist/Produzent: Golo Schultz, mehrfach prämierter Musiker und Songwriter und Produzent von Musikvideos, studierte Filmproduktion an der Filmuniversität Babelsberg.

Hauptdarstellerin: Ella Rumpf, 1995 in Paris geboren, wuchs in Zürich auf und gab 2011 ihr Schauspieldebüt in dem Spielfilm "Draußen im Sommer". Danach studierte sie an einer Londoner Schauspielschule. Sie spielte die "Ali" im preisgekrönten Spielfilm "Chrieg" (2014) und wurde dafür als "Beste Nebendarstellerin" für den Schweizer Filmpreis nominiert. Aktuell spielte sie, neben "Tiger Girl", auch die Hauptrolle in dem französischen Spielfilm "Grave" (2017) von Julia Ducournau.

Hauptdarstellerin: Maria Dragus, 1994 in Rumänien geboren, studierte Ballett an der Palucca Schule in Dresden. Nach kleineren Rollen bekam sie 2010 den Deutschen Filmpreis als "Beste Nebendarstellerin" in Michael Hanekes Drama "Das weiße Band". 2011 spielte sie in Andres Veiels "Wer wenn nicht wir", als "Beste Darstellerin" wurde sie beim Romanian International Filmfestival 2012 in Emily Atefs "Töte mich" ausgezeichnet. 2014 stand sie für den ZDF-Dreiteiler "Tannbach" vor der Kamera, 2016 für "Die Pfeiler der Macht" und die rumänische Produktion "Bacalaureat".

Tiger Girl
Deutschland 2016
Regie: Jakob Lass
Drehbuch: Jakob Lass, Ines Schiller, Hannah Schopf, Eva-Maria Reimer
DarstellerInnen: Ella Rumpf, Maria Dragus, u.a.
Verleih: Constantinfilm
Lauflänge: 91 Minuten
Kinostart: 06.04.2017

Mehr zu Tiger Girl unter:

www.constantin-film.de/kino/tiger-girl und www.facebook.com/tigergirlmovie

Die Filmmusik der Band Grossstadtgeflüster:
www.facebook.com/grossstadtgefluester


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Weitere Informationen zum Bechdeltest::

www.bechdeltest.com
Der Bechdeltest wertet den Status von Frauenrollen in Spielfilmen aller Genres und achtet dabei auf die Eigenständigkeit weiblicher Figuren.


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Beitrag vom 02.04.2017

Helga Egetenmeier